Zur Pause hätten wohl die wenigsten der 1647 Zuschauer noch auf den Handball-Zweitligisten HSC 2000 Coburg gesetzt. Zu lethargisch war das Auftreten der Coburger gegen einen effektiven VfL Potsdam. Doch wie ausgewechselt kam das Team von Brian Ankersen aus der Kabine, drehte das Spiel und musste am Ende doch mit einem 28:28-Unentschieden zufrieden sein.

„Sieht man die letzten 15 Minuten, hätten wir natürlich gerne zwei Punkte mitgenommen. Das war ein großer Unterschied zur ersten Halbzeit, wie wir uns nach dem Wechsel präsentiert haben. Nimmt man den ersten Durchgang, können wir mit dem einen Punkt auch zufrieden sein“, zeigte sich HSC-Geschäftsführer Jan Gorr diplomatisch. Doch einen Sieger gab es auf jeden Fall. Ankersen hatte diese Wende mit zwei taktischen Kniffen erst möglich gemacht. Er ließ 40 Minuten mit dem siebten Feldspieler agieren und nach der Pause offensiv in einer 5:1-Variante decken, was Potsdam lange nicht kompensieren konnte. „Wir hätten das Ding echt zumachen können, deswegen sind wir extrem enttäuscht. Aber ich bin stolz auf mein Team, das in der ersten Halbzeit überhaupt keinen Zugriff bekommen, sich aber nie aufgegeben hat und stark zurückgekommen ist.

2. Bundesliga: HSC 2000 Coburg – VfL Potsdam 28:28 (15:19)

Während die Gästespieler gute eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff zur Auflockerung einen Spaziergang über die Lauterer Höhe machten, tauschte sich deren Trainer Bob Hanning mit Hakan Balkan bereits in der Halle aus. Da wird der ehemalige DHB-Vizepräsident zwar noch nicht erfahren haben, dass die Coburger weiterhin auf Florian Billek verzichten müssen, doch eine Dreiviertelstunde Stunde später war das dann Fakt. Dafür stand Jannes Krone, der ein starkes Spiel machte, nach seinem Bänderriss auf dem Spielberichtsbogen: „Wäre Flo fit, dann hätte ich Jannes nicht aufgeboten. Eigentlich kommt sein Einsatz zu früh. Aber es bleibt ja nichts anderes übrig, als ein bisschen ins Risiko zu gehen“, zeigte sich der HSC-Coach zwiegespalten ob dieser personellen Entscheidung.

Doch Krones Fuß hielt, auch wenn sich der Rechtsaußen nach dem Spiel kaputt fühlte: „Ich hätte nicht gedacht, dass die Luft für so viele Minuten reicht. Und das in einem Spiel, das eine komplette Achterbahnfahrt war. Wir können fast noch glücklich sein, dass wir den einen Punkt mitnehmen. Sieht man die erste Halbzeit, haben wir zumindest ein Zeichen gesetzt. Wir waren danach viel emotionaler, haben mehr zugepackt, waren entschlossener und haben in jedem Bereich einfach ein paar Prozente mehr draufgelegt.“

Dreieinhalb Minuten mussten die HSC-Fans auf den ersten Treffer ihrer Mannschaft warten, in der Abwehr ließen die Coburger Joshua Thiele am Kreis viel zu viel Freiraum, gleich dreimal stand er in den ersten vier Minuten alleine gelassen dort, einmal konnte Fabian Apfel parieren. Emil Hansson führte klug und mit viel Übersicht Regie im Potsdamer Rückraum, nahezu alle gefährlichen Situationen leitete er ein. Coburg lief dem dadurch entstandenen Rückstand erst einmal hinterher, konnte sich aber zumindest auf Merlin Fuß verlassen. Vier der ersten sieben HSC-Treffer gingen auf sein Konto.

Mehrfach glich Ankersens Team aus, doch neben einigen Unkonzentriertheiten im Spielaufbau fehlte vor allem die Kaltschnäuzigkeit bei freien Würfen vor dem gegnerischen Gehäuse, auch in der Schlussphase, wie Merlin Fuß nach der Partie feststellte: „Es waren wieder zwei, drei Kleinigkeiten, die nur zu einem Punkt geführt haben, aber wenn man die erste Halbzeit sieht, war es kaum zu glauben, dass wir noch einen Zähler holen. Gerade nach dem Spiel in Bietigheim war es mental stark von uns, dass wir die Körner hatten, noch so zurückzukommen. Der siebte Feldspieler hat uns Kräfte gespart und Potsdam das Leben schwer gemacht.“

Mehrfach hatte Coburg den Gegner im Zeitspiel, kassierte aber mit dem letzten möglichen Wurf nach vier gespielten Pässen den Gegentreffer. Die Konsequenz daraus – nach fast neun Minuten ohne eigenen Treffer lag Coburg mit vier Toren in Rückstand und der Gegner legte zwei weitere drauf. Der siebte Feldspieler und eine 5:1-Deckung sollten helfen, diese erneut hohe Hypothek, wie bereits am Mittwoch in Bietigheim, abzubauen. Potsdam wirkte in vielen Situationen wacher, Coburg agierte einige Male unbeholfen, brachte den Ball nicht zum Nebenmann. Lange nach dem Pausenpfiff saßen Brian Ankersen und Silvio Krause noch an der Seitenlinie, diskutierten scheinbar die Optionen für die zweite Halbzeit.

Bei 19 Gegentoren konnte das nur heißen, die Abwehr zu stabilisieren und im Angriff mehr Ruhe zu bewahren und eine bessere Chancenverwertung zu erreichen, denn auch Potsdam agierte lange nicht fehlerlos, aber deutlich effektiver. Mehr Ruhe forderte auch Ankersen gestikulierend an der Außenlinie, als bei der eingeleiteten Aufholjagd die Ordnung etwas verloren ging. Aber sein Team, weiter mit einer sehr offensiv ausgerichteten 5:1-Deckung und dem siebten Feldspieler, ließ es jetzt richtig krachen. Mit einem 7:0-Lauf über die Pause hinweg kamen sie beim 20:19 zur ersten eigenen Führung. Und plötzlich war es ein völlig anderes Spiel. Coburg blieb in der Chancenverwertung in Folge nicht konsequent genug, doch nun war Fabian Apfel auf der Gegenseite voll im Spiel, entschärfte ebenfalls einige hundertprozentige.

Die Partie, die vor dem Wechsel fast ohne Emotionen war, entwickelte sich zum offenen Schlagabtausch mit hohem Tempo. Coburg überstand eine vierminütige Unterzahl nahezu unbeschadet, setzte sich auf drei Treffer ab. So ging es in die Crunch-Time in einem kräftezehrenden Spiel am Ende einer englischen Woche. Bei Potsdam war die Effektivität der ersten 30 Minuten verloren gegangen. Doch nach dem 26:23 ging es dem HSC nun wieder ebenso. Er fand seinen Meister in Mark Ferjan im Potsdamer Tor, der auf fast 60 Prozent gehaltene Bälle kam. Statt die Chancen zu nutzen, kam es wie es kommen musste. Coburg wurde für die Chancenverwertung bestraft. Über vier Minuten blieben sie nach dem 28:25 ohne Treffer und der Gast glich noch aus. Dass der letzte Wurf von Herzig mit dem Schlusspfiff noch an die Latte klatschte, passt ins Bild.

Die Statistik:

HSC 2000 Coburg: Apfel (7 Paraden), Jochens (4); Preller, Runarsson (2), M. Jaeger (6), Dettenthaler, Bis (2), Mund, Fuß (6), Siegler, Ossowski (1/1), Herzig (2), Krone (6), Knauer (1), Schäffer (2), Schröder

VfL Potsdam: Ludwig (6 Paraden), Voncina, Ferjan (7); Hansson (2), Beneke (6), Thiele (5), Nowak, Grüner (2/1), Akakpo (6), Gonzalez, Fuhrmann (1), Günther, Sauter (4), Kühn, Langhoff (2), Kraus

Schiedsrichter: Christian Hannes / David Hannes

Strafminuten: 4 (Krone, Schäffer) – 8 (Hansson, Akakpo, Nowak, Thiele)

Siebenmeter: 1/2 (Runarsson scheitert an Ferjan, Ossowski trifft gegen Ferjan) – 1/3 (Grüner trifft einmal, scheitert einmal an Jochens, trifft einmal den Pfosten)

Spielfilm: 0:2 (3.), 2:4 (5.), 4:4 (7.), 4:6 (9.), 6:8 (11.), 8:8 (12.), 8:10 (15.), 8:11 (18.), 8:12 (21.), 11:14 (23.), 12:17 (25.), 13:19 (29.), 15:19 – 16:19 (31.), 18:19 (35.), 20:19 (36.), 22:22 (40.), 25:22 (45.), 26:23 (50.), 26:25 (51.), 28:25 (56.), 28:28.

Zuschauer: 1647

Beste Spieler: M. Jaeger, Apfel, Krone – Thiele, Ferjan, Sauter

Den gesamten Bericht findet ihr bei unserem Medienparter dem Coburger Tageblatt.

Bericht von Coburger Tageblatt

Bild von Svenja Stache