TVG Junioren Akademie – HSC 2000 Coburg 27:27 (12:12)

Die Ausgangslage bot die Bühne für ein echtes Drama: Hinter dem Meister der Staffel Ost, Leipzig, kämpften noch die punktgleichen Dutenhofen/Münchholzhausen und Gastgeber Großwallstadt um den zweiten Platz, der für die Teilnahme an der Bundesliga-Meisterschaft berechtigt. Dabei war der Wetzlarer Nachwuchs wegen eines Tores Vorsprung im Direktvergleich gegen den TVG im Vorteil. Auf der anderen Seite kämpfte der HSC mit einem Punkt mehr als die HSG Hanau im Fernduell um den für den Ligaverbleib entscheidenden sechsten Platz.

Zusätzlich befeuert wurde diese Konstellation dadurch, dass in der zwei Stunden früher angesetzten Partie der Wetzlarer Nachwuchs nicht über ein Unentschieden in Erlangen hinauskam. Großwallstadt konnte jetzt also vorbeiziehen, musste aber dazu unbedingt gewinnen, dann hatte es den zweiten Platz und die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft sicher. Der HSC seinerseits musste mindestens einen Punkt erobern, dann hatte er aus eigener Kraft den so wichtigen sechsten Rang behauptet, unabhängig davon, wie später Hanau in Wallau abschneiden würde.

Beide Mannschaften legten ohne großes Abtasten los. Gab es in den Vorwochen doch einiges an den Coburger Youngsters zu kritisieren, so straften sie dieses Mal alle Zweifler Lügen. Voll fokussiert, hochkonzentriert, energisch, selbstbewusst präsentierten sich die Gelbschwarzen von Anwurf an. Dass keiner der Spieler einen schwachen Tag erwischt, war zwingende Voraussetzung, denn den starken TVG-Spielern Christos Erifopoulos (8 Tore), Thomas Keck (7) und Alexander Pfeifer (6) kann man auch bei Bestform nur eingeschränkt Einhalt gebieten. Aber die Vestestädter präsentierten sich in einer Topverfassung; die Abwehr war hoch beweglich und kaum durchlässig, im Spielaufbau bewahrten die Coburger Ruhe, ganz selten gab es überhastete Aktionen.

Die HSC´ler variierten immer wieder geschickt das Tempo und verwandelten trotz des hervorragenden TVG-Keepers Finn Zecher viele ihrer Chancen. Und so kam es, dass die Gelbschwarzen bis zur 24. Minute fast immer mit einem oder gar zwei Treffern führten. Als jedoch in der 25. Minute der in der Abwehr eifrig rackernde Shooter Jakob Knauer bereits seine zweite Zwei-Minuten-Strafe erhielt und die cleveren Großwallstädter dies postwendend zum 10:10-Ausgleich und kurz darauf zur 11:10-Führung nutzten, befürchteten viele der zahlreich angereisten, lautstark anfeuernden HSC-Fans einen Einbruch ihres Teams. Doch weit gefehlt! Weder ließ sich Jakob Knauer durch die Zeitstrafen in der Folgezeit in irgendeiner Weise in seinem Aktionsradius einschränken, noch zeigten sich seine Mitspieler irgendwie negativ beeindruckt.

Fabian Apfel im Tor wehrte zahlreiche Bälle reaktionsschnell ab, Justin Spörke lief einen Tempogegenstoß der TVG´ler mit einem Sprint rechtzeitig ab und vereitelte so das Gegentor in der 27. Minute. Drohte ein verunglückter Pass schon ins Seitenaus zu kullern, so schleuderten sich Louis Korn, Niklas Knauer, Leonard Harreß, Benny Beyer. Jonas Wolters und Kollegen mit dem ganzen Gewicht rettend nach dem Ball, riss in der Abwehr eine Lücke auf, so stemmten sie sich mit allem, was sie hatten, dem durchbrechenden Gegner entgegen. Kein Ball wurde verloren gegeben, kein Zentimeter zu viel preisgegeben, keinem Körperkontakt ausgewichen, so schmerzhaft er auch in dieser trotz aller Brisanz sehr fair geführten Partie gewesen sein mochte.

Alle Spieler unterstützten sich, und wer gerade auf der Bank saß, feuerte von dort seine Kollegen auf der Platte fortlaufend an. Das ganze Coburger Team zeigte ohne Ausnahme eine tolle Reaktion, die ganze Körpersprache zeugte von unbändigem Kampfgeist und einer großen Moral. Zwingende Konsequenz daraus: Max Preller ließ sich nicht stoppen und glich verdient jeweils zum 11:11 und dann zum 12:12-Halbzeitstand aus.

Anders als in den Spielen zuvor hatten die Coburger Spieler beim TVG keine Angst, Verantwortung zu übernehmen, und ließen sich auch bei Fehlwürfen nicht entmutigen, sondern suchten weiter ihre Gelegenheiten. Nach der Pause ging der HSC 12:13 in Führung, danach erhöhte der sichere Siebenmeterschütze Dino Mustafic vom Punkt auf 13:14. Aber die genauso um jeden Ball kämpfenden Hausherren legten immer wieder nach und ließen sich nicht abschütteln, auch nicht nach dem 16:18 durch den umtriebigen Nils Wendel in der 42. Minute. Ab etwa dieser Phase kam die große Zeit von Christopher Härtl, der in den letzten zwanzig Minuten sechs seiner sieben Tore erzielte und von der TVG-Abwehr überhaupt nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Beim Stand von 18:20 wehrte Torwart Robin Hennig den Siebenmeter von Christos Erifopoulos in der 46. Minute ab – psychologisch eine ganz wichtige Parade in einer Phase, in der der TVG wieder drauf und dran war, wieder näher heranzukommen.

Zwar glichen die Mainfranken doch in der 49. Minute zum 20:20 aus, doch im Gegenzug gingen die Coburger wieder in Führung. In der 53. Minute gelang den TVG-Junioren das 23:22, doch Jakob Knauer und Christopher Härtl drehten das Spiel wieder zum 23:24 für den HSC. So ging es weiter bis zum 25:25. Noch einmal ein wichtiges psychologisches Moment gelang Torhüter Fabian Apfel, der in Minute 57:38 den Siebenmeter von Alexander Pfeifer hielt. Gekrönt wurde dies in der Minute 59:25, als Lukas Dude zum Siebenmeter antrat: Nervenstark versenkte er den Ball zur 26:27-Führung in die Maschen. Der TVG zeigte seine ganze Klasse und egalisierte mit einem sehenswerten Kempa-Trick zum 27:27 in der Minute 59:44. Sechzehn hochdramatische Sekunden zwischen himmelhoch jauchzend und am Boden zerstört mussten die HSC´ler noch überstehen, den Ball behalten, auf keinen Fall mehr ein Tor kassieren.

Sechs Sekunden vor dem Schluss nahm Trainer Martin Röhrig noch einmal eine Auszeit und gleichzeitig den Druck etwas aus dem Spiel, gab ruhig und gefasst seinen Jungs letzte Anweisungen. Fast unwirklich und gespenstisch cool behielten die Gelbschwarzen das Spielgerät in den eigenen Händen, die Sekunden tickten die Uhr herunter, die Sirene ertönte bei 60:00 Minuten, das Unentschieden fühlte sich wie ein Sieg an und die Coburger Jungs ließen ihrer Freude freien Lauf.

Des einen Freud, des andern Leid. Die großartig kämpfenden Großwallstädter waren trotz ihrer starken Leistung zutiefst enttäuscht, fehlte ihnen doch nur ein entscheidendes Tor zum Glück! Die Coburger jubelten, sprangen, tanzten im Kreis, hatten sie doch das fast schon Unmögliche mit äußerster Willens- und Kampfkraft noch wahrgemacht.

So darf sich die ganze Handball-Szene in Coburg auf eine weitere Saison A-Jugend-Bundesliga ganz in Gelb und Schwarz freuen!

Torfolge: 1:0, 1:1, 2:1, 2:2, 3:3, 3:5, 4:5, 4:6, 4:7, 5:7, 6:7, 6:8, 7:8, 7:9, 9:9, 9:10, 10:10, 11:10, 11:11, 12:11, 12:12 – 12:13, 13:13, 13:14, 14:14, 14:15, 15:15, 15:16, 16:16, 16:18, 17:18, 17:19, 18:19, 18:20, 20:20, 21:20, 21:22, 22:22, 23:22, 23:23, 23:24, 24:24, 25:24, 25:25, 25:26, 26:26, 26:27, 27:27

Für den HSC 2000 Coburg spielten: Fabian Apfel, Robin Hennig – Lukas Dude (3/1), Benjamin Beyer, Louis Korn, Leonard Harreß, Justin Spörke (1), Nils Wendel (4), Jonas Wolter, Max Preller (3), Christopher Härtl (7), Dino Mustafic (3/3), Jakob Knauer (6), Niklas Knauer

Trainer: Martin Röhrig, Andreas Gahn

Bericht von Reiner Hennig