Der bereits am Freitag anreisende Gegner kann quarantänebedingt keine Bestformation aufbieten. Beim HSC wird Torwart Poltrum fehlen.

Mit dem Gastspiel beim TBV Lemgo-Lippe fing das Abenteuer des HSC 2000 Coburg in seiner zweiten Saison in der Handball-Bundesliga am 1. Oktober des vergangenen Jahres an und die Coburger blickten positiv auf die bevorstehenden Aufgaben. Wenn die Lipper nun sechseinhalb Monate später am Samstagabend (Anwurf um 18.30 Uhr) zum Rückspiel in der Vestestadt antreten, herrscht Ernüchterung.

Nicht nur, dass damals die Hoffnung bestand, dauerhaft zumindest einige Fans in der Halle zu haben, auch die Hoffnung auf einen positiven Saisonverlauf hat sich für die Mannschaft von Alois Mráz zerschlagen. Der Coburger Trainer ist dennoch zuversichtlich, dass es mit zwei Punkten klappen kann. „Wir müssen die ganzen positiven Dinge aus dem Löwen-Spiel mitnehmen, in der Abwehr wieder so stabil stehen, vorne noch effektiver sein, bei den Übergängen in der zweiten Welle noch konsequenter agieren.“ Doch der HSC muss aufpassen, nicht in Gegenkonter zu laufen, auch wenn der Einsatz des letztjährigen Torschützenkönigs Elisson fraglich ist – das Tempospiel ist eine der Stärken des TBV.

Es gibt durchaus Hoffnung, dass beim dritten Auftritt der Lemgoer in Coburg der HSC diesmal als Sieger die Halle verlässt. Denn nicht nur in der ersten Liga gab es 2017 eine 25:29-Niederlage. Bereits 2006 hatten die Vestestädter als Drittligist in der 2. Runde des DHB-Pokals mit 24:32 das Nachsehen, nachdem sie 40 Minuten mitgehalten hatten. Das war im Hinspiel nicht anders. Beim 20:20 nach 46 Minuten gab es Hoffnung auf einen erfolgreichen Auftakt, acht Minuten später stand es 29:22. „Da haben wir unsere Ruhe verloren“, meint Mráz im Rückblick. Das soll diesmal nicht wieder passieren, gerade weil „die beiden Guardiolas im Deckungszentrum mit allen Wassern gewaschen sind.“ Zudem kehrt Marcel Timm dorthin zurück, wo er in seinen zwei Jahren beim HSC oft nach den Erfolgen zusammen mit den Fans das „Humba“ gegeben hat.

Offen bei den Lippern, die bereits am Freitag anreisen, ist der Einsatz aller etatmäßigen Außenspieler, sowie des emsigen Baijens, TW Zecher und Geis. Einige Akteure hatten coronabedingt bis Mittwoch noch keine Quarantäne-Freigabe erhalten. Dafür dürfte der „Dominic Kelm der Lipper“, der in der Geschäftsstelle beschäftigte (ehemalige) Kreisläufer und jetzige Nachwuchskoordinator Christoph Teuerkauf, erneut reaktiviert werden und das Polo-Shirt gegen das Trikot tauschen. Auch „Bobo“ Kelm kam aufgrund von personellen Problemen in dieser Saison ja bereits mehrmals zum Einsatz. Mráz ist auch froh über die Situation, „dass wir coronabedingt noch keines unserer Spiele wegen einer Quarantäne verlegen mussten, auch wenn uns diese in der Vorbereitung im Januar hart getroffen hat. Aber da hält er es mit Kehrmann: „Man muss flexibel reagieren.“

Positiv kann auch die zuletzt gezeigte Leistung gegen die Rhein-Neckar Löwen stimmen, mit der der HSC Lemgo tatsächlich in Bedrängnis bringen könnte. Aber das ging in der Saison oft schief. Nach dem Hinspiel gegen die „Löwen“ am letzten Spieltag des vergangenen Jahres Ende Dezember war Geschäftsführer Jan Gorr noch optimistisch: „Es sind noch 24 Spiele“. Jetzt sind zwei Drittel der Saison vorbei in denen der HSC acht Pluspunkte verbuchen konnte. Es bleiben noch 13 Partien und der Abstand zum rettenden Platz 16 ist mit sieben Punkten größer denn je. Da braucht es bis Ende Juni schon nicht nur ein kleines Handballwunder wenn der Ligaverbleib gelingen soll. Es ist aber eher wahrscheinlich, dass es wohl ein bisschen dauern wird, bis die Rhein-Neckar Löwen oder der TBV Lemgo-Lippe zum vierten Mal in Coburg auf der Platte stehen. Trotzdem wird das Team bis zum Schluss um jeden Punkt kämpfen – das haben gerade die letzten Heimpartien gezeigt.

Die Akteure

HSC 2000 Coburg: Kulhanek, Dreyer; Preller, Nezhad, Sproß, Nenadic, Billek, Mustafic, Knauer, Zetterman, Varvne, Schikora, Kurch, Zeman, Grozdanic, Schröder, Neuhold. Trainer: Alois Mráz. (es fehlen: Apfel, Poltrum)

TBV Lemgo-Lippe: van den Beucken, Johannesson; Kogut, I. Guardiola, Carlsbogard, Theuerkauf, Timm, Hangstein, G. Guardiola, Cederholm, Herz, Schalles, Oetjen, Hollstein. Trainer: Florian Kehrmann.

Schiedsrichter: Kern/Kuschel

So sieht es der Gegner

„Ich weiß noch gar nicht, wer am Samstag wirklich spielen darf. Wir haben noch immer Spieler, die in Quarantäne sind. Da müssen wir abwarten, was bis zum Spieltag passiert.“ Florian Kehrmann, Trainer des TBV Lemgo muss aus der Not wie schon im Derby gegen Minden, eine Tugend machen. „Natürlich fordert uns diese Situation, aber es macht auch Spaß Probleme zu lösen. Natürlich bleibt es eine Kunst, es Woche für Woche hinzubekommen. Man muss einfach flexibel bleiben, auch mit Rückschlägen gut umgehen. Aber wir haben in der Jugend und der zweiten Mannschaft viel Potenzial und können auch mit diesen Spielern unser Spielsystem leben. Wir werfen die jungen Leute schon seit langem immer wieder ins kalte Wasser.“

Der Trainer der Lipper strahlt Zuversicht trotz der besonderen Situation aus, doch auch er findet, „dass mit den Fans das letzte bisschen einfach fehlt, auch wenn wir immerhin spielen dürfen.“ Zudem hat er ausgemacht, dass der HSC gerade zu Hause in den letzten Spielen gegen Wetzlar, Kiel und die Rhein-Neckar Löwen gute Leistungen gezeigt hat. Umso unverständlich sind in seinen Augen „die Aussetzer in Minden und Ludwigshafen. Da war möglicherweise der Druck zu groß.“ Im Rückblick auf das Hinspiel hat Kehrmann noch die überragende Leistung von Konstantin Poltrum im Hinterkopf. „Erst als wir in der Schlussphase unsre Chancen konsequent verwertet haben, konnten wir uns absetzen, 45 Minuten war es eng.“ Mit der Rückkehr von Jakob Knauer sieht er auch mehr Alternativen beim HSC. „Und vielleicht hilft ja tatsächlich auch die Rückkehr von Jan ins Trainerteam, der jetzt zusammen mit Alois analysieren und vorbereiten kann.“

Die Lage in der Liga

Vier Teams müssen in diesen Tagen bis Sonntag zwei Mal ran. Da war der THW Kiel am gestrigen Abend Gastgeber für den Bergischen HC. Am Sonntag geht es zu HBW Balingen-Weilstetten. Die waren gestern Abend bereits beim SC DHfK Leipzig zu Gast. Der BHC muss am Sonntag zum zweiten verbliebenen Titelanwärter neben den Kielern, der SG Flensburg-Handewitt. Die sind ebenfalls im Doppeleinsatz, gastierten gestern Abend bei TuSEM Essen. Es geht also rund in der Liga beim Einstieg ins letzte Saisondrittel und die Befürchtung, dass die Pandemie zu weiteren Spielausfällen führt, wird größer.

Das Top-Spiel am Sonntagmittag steigt zwischen dem SC Magdeburg und der MT Melsungen. Für die Hessen fast schon die letzte Option um im Rennen um die internationalen Platze in der kommenden Saison dabei zu bleiben. Die Magdeburger wollen nach der Heimniederlage vor zwei Woche gegen Flensburg aber nun eine neue Heimserie starten. Weiter an seiner Siegesserie will FrischAuf Göppingen bauen. Auch wenn vier Siege mit einem und zwei Siege mit zwei Toren darunter waren – gewonnen ist gewonnen. Gegen die HSG Nordhorn-Lingen soll der zehnte Sieg in Folge her, am besten mal wieder etwas deutlicher. Die Rückkehr des HC Erlangen nach der Quarantäne findet beim TSV GWD Minden statt. Mit einem Sieg soll das Punktekonto ausgeglichen werden. Nächste Woche geht die Aufholjagd an Spielen weiter, da werden sechs Mannschaften im Doppeleinsatz in der Liga sein, wenn nicht Corona quaräntänebedingt „dazwischengrätscht“.

Randnotizen

Ohne Außen – In der letzten Partie, dem Derby gegen TSV GWD Minden, hatte Lemgo keine etatmäßigen Außenspieler zur Verfügung. Bobby Schagen, Alexander Reimann, Lukas Zerbe und der letztjährige Bundesliga-Torschützenkönig Elisson mussten die Partie in häuslicher Isolation verfolgen. Das waren noch Corona-Auswirkungen. Denn nach einem positiven Test am 22. März gab es weitere Fälle und eine 14-tägige Quarantäne für das gesamte Team, das erst vor 10 Tagen wieder trainieren durfte, aber nur als Rumpftruppe.

Hinter Zerbe – Trainer Florian Kehrmann, seit 2014 Trainer bei den Lippern, stand zwischen 1999 und 2014 in 460 Spielen selbst auf dem Feld. Teamintern hat er da nur Volker Zerbe mit 586 Spielen vor sich. Auch bei den Toren rangiert der Europameister von 2004 und Weltmeister 2007 hinter Zerbe (1977/3) mit 1848 Treffern, davon 114 vom Siebenmeterstrich, auf Platz Zwei.

Mit Verschärfung – So reagiert die HBL wegen der vielen Spielverlegungen zuletzt. Das Hygienekonzept wird geschärft. Noch bessere Dokumentationspflichten sollen helfen, ausufernde Quarantänebedingungen wie zuletzt in Erlangen oder beim Bergischen HC zu vermeiden. Zudem ist beabsichtigt, noch kürzer vor einer Partie zu testen, wenn dies organisatorisch umsetzbar ist. Oberste Priorität bleibt jedoch die Gesundheit der Spieler.

Bericht von Ralph Bilek

Bild von Svenja Stache